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XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2020
Die MVZ Labor Dessau GmbH setzt an den zwölf Standorten ihres Laborverbunds in Hämatologie und Urinanalytik auf vollautomatische Analyser von Sysmex. Die Ergebnisse sind überraschend.
Text: Arnd Petry
Juliane Böttcher-Lorenz, die ärztliche Direktorin und Geschäftsführerin der MVZ Labor Dessau GmbH. Die Laborärztin und Mikrobiologin muss es wissen, schließlich leitet sie das Unternehmen seit seiner Gründung im Jahr 1992. Ausgehend von einem Labor in Dessau, das aus dem dortigen Klinikbetrieb outgesourct wurde, ist unter ihrer Regie im Laufe der Jahre ein Laborverbund entstanden, der heute an zwölf Standorten in Sachsen-Anhalt und Hessen aktiv ist (siehe auch Seite 12). Für den Nachweis von Proben nicht nur aus dem gesamten Bundesgebiet, sondern auch aus Schweden, England und den USA nach Sachsen-Anhalt.
„Die Toxikologie ist ein Schwerpunkt unseres Laborverbunds. Allein in diesem Bereich haben wir täglich mehr als 1.000 Einsendungen. Wir sind das Referenzlabor der Limbach-Gruppe“, so Böttcher-Lorenz. Die Gruppe ist der größte Zusammenschluss unabhängiger Labore in Deutschland. Neben der Toxikologie bilden die Immunhämatologie, Infektionsserologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie und Serologie die weiteren Arbeitsbereiche. Vorgenommen werden Untersuchungen aus dem gesamten labormedizinischen Spektrum: von der Liquordiagnostik über PCR, Blutgasanalytik/POCT, Tumormarker-Untersuchungen und Durchflusszytometrie bis zur Urinanalytik und Blutbilddiagnostik. Allein in der Hämatologie müssen im gesamten Laborverbund jeden Tag mehr als 3.000 Proben untersucht werden.
Fast 5.000 Handgriffe am Tag
„Der Arbeitsprozess im Bereich Hämatologie war früher durch eine Vielzahl manueller Arbeitsschritte geprägt“, erklärt die ärztliche Direktorin. Dazu gehörte das Vorscannen der Proben und das Markieren jener Probenröhrchen, die eine HbA1c- oder Retikulozyten-Anforderung hatten oder wegen Versandbesonderheiten nach der Blutbildanalytik einfacher aussortiert werden mussten. Insgesamt ergaben sich im Rahmen einer systematischen Workflow-Untersuchung 15 manuelle, sich stets wiederholende Arbeitsschritte – insgesamt fast 5.000 Handgriffe am Tag. „Und jeder Handgriff kostet Zeit“, betont die Laborchefin. „Vergleicht man dann noch Kosten und Erlöse, kommt man unweigerlich zu dem Schluss: Wir müssen automatisieren!“ Für eine Automatisierung gab es der Geschäftsführerin zufolge noch ein zweites, wichtiges Argument: Qualifizierte MTAs sind nur schwer zu bekommen. „Wir brauchen unsere gut ausgebildeten Mitarbeiter für die technische Validation und das Bewerten kritischer Blutbilder, aber nicht, um Proben in Racks zu drücken. Dies kann nur durch eine Personalbindungs-Veränderung erreicht werden. Die bisher genutzten, sehr guten Analysegeräte im Arbeitsbereich Hämatologie ließen keinen stärkeren Automatisierungsgrad zu, der dies ermöglicht hätte.“ Den Ausschlag für Sysmex gab schließlich die Modularität und Skalierbarkeit der Systeme: „Das ermöglicht es uns, an jedem Standort das dort richtige, dem Durchsatz angepasste Analysesystem aufzustellen“, so Juliane Böttcher-Lorenz. Ein weiterer Pluspunkt war die Möglichkeit, die Systeme an den unterschiedlichen Standorten mithilfe des Extended IPU Clients zu vernetzen und so für einen reibungslosen Datenaustausch zu sorgen. Auch die Qualität der Blutbildmessungen und die Zuverlässigkeit der automatisierten Zellzahlbestimmung überzeugten. Positiv seien auch das Management der Qualitätskontrolle und die Fernwartung der Analysesysteme durch Sysmex gewesen.
Zum Laborverbund der MVZ Labor Dessau GmbH gehören neben dem Hauptstandort Dessau insgesamt elf Nebenbetriebsstätten in Krankenhäusern und Reha-Kliniken in Bad Düben, Ballenstedt, Coswig, Dessau, Halle, Kassel, Naumburg und Wittenberg. Am Hauptstandort Dessau sind 240 Mitarbeiter beschäftigt (medizinisch-technischer Dienst und Naturwissenschaftler/Mediziner). Der gesamte Laborverbund hat 282 Mitarbeiter. Ein eigener Fahrdienst sorgt mehrmals täglich für den Transport der Proben zwischen den Standorten. Dank dieser Organisation ist es möglich, zeitkritische Parameter an den Außenstellen zu erheben und alle anderen zentral in Dessau. Weiterer Vorteil des Verbunds: Weil die Labore an allen Außenstandorten im Prinzip gleich ausgestattet sind, können Mitarbeiter bei Krankheitsfällen problemlos an anderen Standorten aushelfen.
Zwei Drittel weniger Handgriffe
Seit Sommer 2019 arbeiten nun an allen Standorten des Laborverbunds in der Hämatologie und Urinanalytik vollautomatische Analysesysteme von Sysmex im Routinebetrieb. Für Laborärztin Dr. med. Angela Strechel, Abteilungsleiterin Serologie, haben die neuen Systeme die Probezeit mit Bravour bestanden: „Der Einsatz der Analysesysteme veränderte den gesamten Arbeitsfluss im Labor positiv. Wir sind nun zum Beispiel in der Lage, die Probenracks automatisch mit den EDTA-Proben zu bestücken und in einem Arbeitsschritt bis zu 80 Proben auf einmal einzuladen.“ Die Zahl der im Rahmen der ursprünglichen Workflow-Untersuchung ermittelten, sich stets wiederholenden manuellen Arbeitsschritte habe durch den vollautomatischen Analyser von 15 auf fünf reduziert werden können. Der Ausstrich- und Färbeautomat SP-50 standardisiert laut Angela Strechel die Qualität der Blutbildausstriche besser als die Altgeräte und erspart so viele Handgriffe. Auch der Sortierer TS-10 sei „gewinnbringend“ für die Probenarchivierung und Nachverteilung. Insgesamt sind der Labormedizinerin zufolge 67 Prozent der Handgriffe eingespart worden. Mehr als die Hälfte aller Proben seien nun eine halbe Stunde früher abgearbeitet.
„Wir haben jetzt nicht einfach mehr Zeit. Wir haben Zeit für mehr Qualität“
Dr. med. Angela Strechel
Raus aus dem Hamsterrad
Der Vorteil der Umstellung auf die Analyser schlägt sich nicht nur in Zahlen nieder: „Wir haben jetzt nicht einfach mehr Zeit für irgendetwas anderes. Wir haben jetzt Zeit für mehr Qualität“, sagt Angela Strechel. Die Arbeit sei insgesamt qualitativ hochwertiger geworden. Das gefalle dem gesamten Team. Ein Mitarbeiter habe vorher die Arbeit in der Hämatologie gemieden, wo er nur konnte, erzählt sie. „Nun freut er sich darauf, weil er die fachlichen Hintergründe wieder sieht.
Dazu beigetragen hat ihrer Ansicht nach auch die gute Unterstützung von Sysmex bei der Umstellung auf die neue Hämatologie-Analytik. „Zwei MTAs waren bei einer Wochenschulung. Anschließend haben sie den fachlichen Input zu den Kolleginnen und Kollegen gebracht.“ Julia Pungert, Bereichs-MTA Hämatologie am Hauptstandort in Dessau, gehörte zu den beiden Mitarbeiterinnen, die sich besonders intensiv in die Möglichkeiten der neuen Laborautomaten einarbeiten konnten.
Sie ist froh, heute weniger Routine-Handgriffe erledigen zu müssen, raus zu sein aus dem Hamsterrad: „Die Arbeit ist interessanter geworden, weil man sich jetzt wieder auf das konzentrieren kann, was man eigentlich mal gelernt hat, und nicht ständig mit der Bestückung eines Geräts beschäftigt ist.“
Zur Konzentration aufs Wesentliche trägt auch das Regelwerk des Labors bei, das gemeinsam mit Sysmex überarbeitet wurde. Seltene Analysen werden nun mit höherer Sensitivität und Spezifität befundet. Und falls nötig, veranlasst die Software selbstständig weitere Untersuchungen, die Klarheit bringen können. „Die Entscheidung, im Zweifelsfall ein Differenzialblutbild zu machen, ist nun standardisiert. Wir umgehen so Subjektivitäten. Das lässt mich auch ruhiger schlafen“, sagt Angela Strechel.
Neue Urin-Strasse
Neu im MVZ-Zentrallabor sind seit August 2019 auch jene Systeme, die knapp einen Meter neben der Hämatologie-Einheit stehen: die neue Urin-Straße, zu der das Urinanalysesystem UC-3500, das Fluoreszenz-Durchflusszytometer UF-4000 und das Digital Imaging System UD-10 zusammengeschlossen wurden. „Die Hauptargumente für die UN-Serie waren die einfache Handhabung als Vollautomation sowie die Messmethode der Durchflusszytometrie bei der Urinsediment-Bestimmung“, erklärt Angela Strechel. Das Abarbeiten der Proben sei schneller geworden, besonders bei mittlerem bis hohem Probenaufkommen innerhalb von Spitzenbelastungen. „Bestechend sind auch die gute Bildqualität, die guten und präzisen Messwerte beim Zytometer UF-4000 und beim Teststreifengerät.“ Durch das Zusammenschließen der drei Systeme habe sich das gesamte Proben-Handling in der Urinanalytik vereinfacht. Proben mit Urinsediment-Anforderung müssten beispielsweise nicht mehr aussortiert und auf einen Stand-alone-Analyser umgesetzt werden.
Bei weit weniger Patientenproben als zuvor sei eine klärende Bildbetrachtung notwendig – früher mikroskopisch, jetzt mithilfe des UD-10. Zur Beschleunigung der Arbeitsprozesse in der Urinanalytik trägt auch die neue U-WAM Software bei. „Bei der manuellen Bearbeitung der Sedimentbilder ist die Auswertung mit der Software einfacher und schneller, da gleichzeitig auch die Ergebnisse des Teststreifens und des Zytometers angezeigt werden“, so Angela Strechel. Zudem habe man mit der Software ein individuelles Regelwerk definieren können. Bei Auffälligkeiten im Zytometer werde zum Beispiel nun automatisch eine Mikroskopie angefordert.
„Wir brauchen unsere gut ausgebildeten Mitarbeiter für die technische Validation, nicht, um Proben in Racks zu drücken“
Dr. med. Juliane Böttcher-Lorenz
Weiterer Ausbau 2022
Bis 2022 werden die neue Urin-Straße und die Blutbildanalytik noch in den aktuellen Laborräumen ihren Dienst verrichten. Dann soll der Bau des neuen Zentrallabors abgeschlossen und Platz vorhanden sein, um die Hämatologie-Einheit nochmals zu erweitern: Die HbA1c-Analytik, die momentan wegen der unterschiedlichen Rack-Systeme zusätzliche Arbeit macht, soll dann in die Automationsstraße integriert werden.
Summary
- Die Umstellung auf vollautomatische Analyser von Sysmex in Hämatologie und Urinanalytik realisiert zahlreiche Vorteile für das Labor
- Die Anzahl der manuellen Handgriffe hat sich in der Hämatologie um zwei Drittel reduziert. Dadurch erhalten Einsender Ergebnisse schneller
- Die Automatisierung ermöglicht eine veränderte Personalbindung, die zu einer weiteren Qualitätsverbesserung beiträgt
- Insgesamt hat sich die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöht
Foto: Thomas Victor