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Myelodysplastische Syndrome im Fokus

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 2/2021

 

Die myelodysplastischen Syndrome (MDS) gehören zu den häufigsten malignen Erkrankungen des blutbildenden Systems in Deutschland. Das mediane Alter liegt bei 70 Jahren. Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Text: Sabine Haase

MDS sind meist erworbene klonale Knochenmarkerkrankungen der hämatopoetischen Stammzelle. Durch Reifungs- und Funktionsstörung dieser Zellen kommt es zu Dysplasien von Blut- und Knochenmarkzellen sowie hämatopoetischen Insuffizienzen wie Anämie, Blutungs- und Infektionsrisiko. Periphere Mono-, Bi- und Panzytopenien können sich bei einem normalen oder erhöhten Zellgehalt des Knochenmarks zeigen. Jedoch treten durch eine stark erhöhte Apoptoserate der funktionell defekten und häufig dysplastisch ausreifenden Effektorzellen Zytopenien der Leukozyten, Erythrozyten oder Thrombozyten im peripheren Blut auf. Darüber hinaus sind die myelodysplastischen Syndrome durch ein erhöhtes Risiko für einen Übergang in eine akute Leukämie gekennzeichnet.

Ursache meist unbekannt

Fortgeschrittene MDS weisen eine zunehmende Blastenakkumulation auf. Etwa 30 Prozent der MDS gehen in akute myeloische Leukämien über. Während akute myeloische Leukämien definitionsgemäß über 20 Prozent myeloische Blasten im Knochenmark aufweisen, sind MDS neben stärkeren dysplastischen Veränderungen, zum Beispiel Pseudo-Pelger-Zellen oder Mikromegakaryozyten, durch einen Blastenanteil zwischen 0 und 20 Prozent gekennzeichnet.

In über 90 Prozent der Fälle handelt es sich um primäre MDS, deren Ursachen unbekannt sind. Daneben stehen sekundäre MDS, die therapieassoziert sind, zum Beispiel durch vorangegangene Bestrahlung oder Chemotherapie. Andere Einflüsse wie der Umgang mit Benzolen, Insektiziden oder Pestiziden kommen auch als auslösende Faktoren in Betracht.

Diagnostik und Klassifikation

Die Diagnosestellung eines myelodysplastischen Syndroms erfolgt häufig bei der Abklärung einer Anämie (Hämoglobinwert < 12 g/dl), die von Blutungen oder Infekten begleitet werden kann. Die Diagnose eines MDS ist eine Ausschlussdiagnose, da Zytopenien und Dysplasien nicht nur bei anderen malignen Erkrankungen oder verdrängenden Prozessen des Knochenmarks beobachtet werden, sondern auch bei nicht hämatologischen Erkrankungen auftreten können.

Liegt der Verdacht eines MDS vor, muss zum Diagnosebeweis und zur weiteren Klassifikation nach den aktuellen Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO-Klassifikation) eine spezielle hämatologische Diagnostik erfolgen, die neben der Auswertung eines peripheren Blutausstrichs die Punktion des Knochenmarks und die Durchführung zytogenetischer und molekulargenetischer Analysen erforderlich macht. Diese Untersuchungen sind auch für die Abklärung anderer Ursachen hilfreich, die wie die MDS mit einer Verminderung der peripheren Blutzellwerte einhergehen können (zur Einteilung des Krankheitsbilds nach WHO siehe Tabelle 1-4).

Spezielle hämatologische Diagnostik

Der periphere Blutausstrich ist ein wichtiger Bestandteil der hämatologischen Untersuchung. Bei ordnungsgemäßer Herstellung können folgende Informationen entnommen werden: Leukozytendifferenzierung, Untersuchung der Erythrozyten- und Leukozytenmorphologie, Abschätzung der Leukozyten- und Thrombozytenzahl. Entscheidend sind dabei folgende Parameter:

  • Leukozytenzahl (oft < 400/µL)
  • Thrombozytenzahl (oft < 100.000/µL)
  • Hämoglobin (fast immer < 12,0g/dl)
  • Retikulozytenzahl (oft vermindert)
  • Differenzialblutbild: Granulozytenanteil

Bei der Diagnostik der MDS sind von extremer Wichtigkeit:

  • Blastenanzahl
  • Neutrophilenzahl
  • Dysplasiezeichen

Weitere klinische Laborparameter:

  • LDH (U/I)
  • Ferritin
  • Erythropoetinspiegel
  • HLA-Typisierung bei Hochrisikopatienten und Familienmitgliedern (für eine eventuelle erforderliche allogene Stammzelltransplantation)
  • Molekulargenetik aus Blut oder Knochenmark

Die Knochenmarkdiagnostik

Die Zytomorphologie ist die Basisdiagnostik für alle hämatologischen Systemerkrankungen. Sie wird zur Sicherung der Diagnose, zur Klassifikation von Erkrankungen und zur Verlaufskontrolle im Therapieverlauf eingesetzt.

Die Beurteilung von Blut- und Knochenmarkausstrichen erfolgt durch die panoptische Färbung (May-Grünwald-Giemsa) sowie durch verschiedene zytochemische Färbungen, die die Differenzierung und Zuordnung maligner Zellen und gesunder Zellen erlauben. Der Knochenmarkausstrich (siehe Abbildung 1) ist ein zytologisches Präparat, das bei der Knochenmarkpunktion durch Aspiration von Knochenmarkbröckel und Knochenmarkblut gewonnen wird.

In der Regel werden Quetschpräparate oder Abrollpräparate angefertigt, die gut zu beurteilen sind. Die zytologische Untersuchung eines Knochenmarkausstrichs ist im Hinblick auf eine hämatologische Systemerkrankung entscheidend. Im Knochenmarkpräparat werden der Zellgehalt sowie die Morphologie der Einzelzellen (zum Beispiel die prozentualen Anteile der Dysplasien in der Granulopoese, der Erythropoese und der Megakaryopoese) beurteilt und das Verhältnis zwischen Erythropoese und Granulopese zueinander begutachtet.

So steht auch bei der Diagnostik der MDS die Zytomorphologie und Zytochemie der Blut- und Knochenmarkzellen im Vordergrund, um die Dysplasien in ein, zwei oder drei Zellreihen (Erythropoese, Granulopoese und Megakarypoese) zu beurteilen. Die Dysplasiezeichen haben einen besonderen Stellenwert in der Diagnostik, dabei sollten mindestens zehn Prozent einer Zellreihe Dysplasiezeichen aufweisen.

Weiterhin geht der im Knochenmarkausstrichpräparat exakt ausgezählte medulläre Blastenanteil in die Einteilung der Diagnosegruppen nach der WHO-Klassifikation ein. Obligat ist außerdem die Zytogenetik (siehe Abbildung 2 und 3) für die Diagnosestellung und Prognoseeinteilung der myelodysplastischen Syndrome. Zusätzlich sollte auch die Histologie (siehe Abbildung 4 und 5) hinzugezogen werden, um eine begleitende Myelofibrose oder Mastozytose nachzuweisen beziehungsweise besser beurteilen zu können.

Im Onlineportal Sysmex DACH Akademie wird Mitte November 2021 der Kurs „Fallbeispiele MDS“ mit Sabine Haase veröffentlicht. Darin werden sechs unterschiedliche MDS-Fallbeispiele anhand eines XN-Befunds, der jeweiligen morphologischen Veränderungen und der entsprechenden Immunphänotypisierung vorgestellt. Damit kann theoretisches Wissen anhand von Laborbefunden vertieft werden.

Summary

  • Die myelodysplastischen Syndrome (MDS) gehören in Deutschland zu den häufigsten malignen Erkrankungen des blutbildenden Systems
  • Sie sind durch ein erhöhtes Risiko für einen Übergang in eine akute Leukämie gekennzeichnet
  • Zur Abklärung muss nach Empfehlungen der WHO eine spezielle hämatologische Diagnostik erfolgen
  • Diese macht die Auswertung eines peripheren Blutausstrichs sowie die Durchführung zytogenetischer und molekulargenetischer Analysen erforderlich

 

Fotoquelle: Marien Hospital Düsseldorf

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