Passgenau automatisiert
XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2019
Das Klinikum Karlsruhe setzt bei der medizinischen Labordiagnostik auf Vollautomation – in der Hämatologie mit einer individuell angepassten XN-9100 Automationslösung von Sysmex
Text: Anja Lang
Wer die Sicherheitstür im Haus D des Karlsruher Klinikgebäudes passiert, gelangt vom normalen Krankenbetrieb fast in eine andere Welt. Das Licht im Zentralinstitut für Laboratoriumsmedizin ist leicht gedimmt. Eine riesige Laborstraße dominiert den Raum. Nur wenige Angestellte haben gerade Dienst. Am frühen Nachmittag ist es vergleichsweise ruhig hier. Nur ab und zu hört man ein leises Klicken oder ein schnarrendes Brummen der rund um die Uhr arbeitenden Apparaturen. „Gegen sechs Uhr in der Früh herrscht hier allerdings Hochbetrieb“, betont Dr. med. Horst Mayer, Facharzt für Laboratoriumsmedizin und leitender Oberarzt der Abteilung für medizinische Diagnostik am Klinikum Karlsruhe. „Das Pflegepersonal fängt mit der Blutabnahme noch vor den Ärzten an.“ Deshalb sind drei Viertel der rund 4.000 Probenröhrchen, die an einem normalen Werktag hier reinströmen, bereits bis zum Mittag analysiert. „Anders als niedergelassene Labore oder Laborgemeinschaften, bei denen pathologische Probenbefunde eher selten sind, haben wir als Krankenhaus einen sehr hohen Anteil an auffälligen Befunden von etwa 70 Prozent“, erklärt Mayer. „Die Labor analytik im Krankenhaus ist auch deutlich aufwendiger, weil wir viel mehr Zelldifferenzierungen vornehmen müssen.“
Immer mehr Proben
Durch kürzere Liegezeiten hat sich außerdem der Patientendurchsatz in den letzten Jahren um etwa zehn Prozent erhöht. „Damit ist die Zahl der Proben gestiegen“, erklärt Mayer. „Da die Patienten das Haus heute schneller verlassen, muss außerdem die Analytik rascher abgeschlossen sein.“ Deshalb setzt das Klinikum Karlsruhe bei der Labordiagnostik seit einigen Jahren auf moderne automatisierte Geräte, die Routineaufgaben der Basaldiagnostik in einer Laborstraße weitgehend selbstständig durchführen. Um die Prozesse der Labordiagnostik für die Automation entsprechend zu standardisieren, hat der leitende MTLA Dieter Scholz ein ausgeklügeltes Stufendiagnostiksystem entwickelt. Darin sind etwa 150 Profile erfasst, die die Parameter beschreiben, die bei zuvor definierten Patientensymptomen im Labor zur basalen Abklärung benötigt werden.
Auffällige Blutproben
Durch die weitgehende Automation in der Serumanalytik konnten Teile des Laborpersonals in die Hämatologie verlagert werden. „Dieser Laborbereich ist im Klinikum Karlsruhe besonders arbeitsintensiv“, erklärt Mayer. „Vor allem durch die große Erwachsenen- und Kinderonkologie haben wir einen überdurchschnittlich hohen Anteil an auffälligen Blutproben, die weiter differenziert und beurteilt werden müssen.“ Bereits seit Ende der Neunzigerjahre setzt das Klinikum Karlsruhe bei der Blutbilddiagnostik auf Systeme von Sysmex. Im Sommer 2018 hat sich das Krankenhaus zur Installation des Sysmex XN-9100 entschlossen, einer Totalautomationslösung für die Hämatologie, die – abhängig vom Probenaufkommen – entsprechend dem jeweils gewünschten Leistungsumfang modular zusammengestellt werden kann. „Wir haben eine kompakte Lösung gewählt, die unsere Bedürfnisse umfassend erfüllt und trotzdem gut in unseren etwas beengten Räumlichkeiten untergebracht werden kann“, betont Scholz.
„Vor allem der Innovationscharakter und die über die Jahre gleichbleibend hohe Qualität der Sysmex Systeme haben uns überzeugt“
Dr. med. Horst Mayer, Facharzt für Laboratoriumsmedizin und leitender Oberarzt der Abteilung für medizinische Diagnostik
Mehr Zeit für Anspruchvolles
Seit Sommer 2018 stehen mit dem XN-10, XN-20 sowie dem Färbe- und Ausstrichautomaten SP-50 und dem Bildanalysesystem DI-60 jetzt vier schlanke, weiße, miteinander verbundene Module auf einer Länge von nur etwa vier Metern. Die Routinen der Blutbilddiagnostik laufen seither komplett automatisiert ab. Die Steuerung der Prozesse übernimmt die sogenannte Extended IPU. Das ist eine in die XN-Serie integrierte Software, die als Regelwerk entscheidet, wie mit jeder Probe, abhängig vom jeweiligen Analyseergebnis, weiter umgegangen werden soll. Neben dem bereits breiten Spektrum von standardisierten und auf Expertenwissen basierenden Einstellungen, wie der biomedizinischen Validierung, können Kunden maßgeschneiderte Regeln hinterlegen und individuelle Modifikationen einrichten. „Wir haben kleine Anpassungen vorgenommen und sind mit dem Ergebnis jetzt sehr zufrieden“, sagt Scholz, „das Regelwerk arbeitet exakt und sehr zuverlässig.“ Durch die Automation hat sich auch der Arbeitsbereich des Fachpersonals verändert. So werden die MTAs im Bereich der Routineaufgaben stark entlastet, sodass deutlich mehr Zeit für besonders anspruchsvolle Fälle zur Verfügung steht. „Anfangs reagierten einige Mitarbeiter skeptisch“, erinnert sich Scholz. „Inzwischen haben aber alle Vertrauen in die neue Technik gefasst und profitieren von den Vorteilen der Automationslösung.“
Objektivierbare Ergebnisse
„Insbesondere das DI-60-Modul mit digitaler Morphologie stellt für uns eine enorme Arbeitserleichterung dar“, erklärt Mayer. „Damit ist die morphologische Beurteilung der Befunde sehr viel besser objektivierbar.“ Denn anders als bei der manuellen Differenzierung der Leukozyten unter dem Mikroskop werden die Zellbilder hier digitalisiert auf einem Bildschirm dargestellt und können abgespeichert und verschickt werden. Der Befund kann damit problemlos von mehreren Personen gleichzeitig beurteilt werden, wenn die Bestimmung und Zuweisung von Zellen nicht eindeutig ist. „Eine sehr gute Hilfestellung bei der täglichen Arbeit ist für uns auch der integrierte WPC-Kanal“, betont Scholz. „Bei der Differenzierung der Lymphozyten wird von der Auflösung her eine enorm hohe Qualität erreicht und eine sehr zuverlässige Klassifikation vor allem nach reaktiven beziehungsweise neoplastischen Zellen getroffen, was für die Diagnostik in der Onkologie besonders wichtig ist.“ Der PLT-F-Kanal erlaubt darüber hinaus mithilfe der Thrombozyten-Fluoreszenznachweismethode eine besonders umfassende und differenzierte Beurteilung der Thrombozyten.
Um die fachgerechte Verdünnung der Blutproben zu gewährleisten, müssen die Analysesysteme regelmäßig mit Reagenzien bestückt werden. „Bei unserem Probenaufkommen mussten wir bis vor Kurzem täglich drei schwere 20-Liter-Reagenzienkanister austauschen“, erklärt Scholz. Das erforderte ein vergleichsweise hohes Lagervolumen und konnte schon aus Arbeitsschutzgründen nicht jedem Laborangestellten zugemutet werden. „Bei der Umstellung auf die neue Automationslösung XN-9100 haben wir uns deshalb für die Einrichtung der von Sysmex angebotenen Reagenzienproduktionseinheit (RPU) entschieden“, betont der leitende MTLA Scholz. Damit kann die Verdünnungslösung mit einem Konzentrat und Reinstwasser direkt am Gerät hergestellt werden. „Vor allem der Innovationscharakter und die über die Jahre gleichbleibend hohe Qualität der Sysmex Systeme haben uns überzeugt“, bestätigt Mayer. „Dabei zählt vor allem, dass sich die Apparate, trotz Dauereinsatz im 24-Stunden-Betrieb, äußerst robust verhalten und extrem niedrige Ausfallzeiten haben“, ergänzt Scholz. „Echte ,Arbeitstiere‘ halt, die lange fehlerfrei arbeiten!“
Summary:
- Durch mehr Patienten und kürzere Liegezeiten hat sich im Klinikum Karlsruhe das Probenaufkommen deutlich erhöht.
- Mit dem XN-9100 hat sich das Krankenhaus für eine Totalautomationslösung in der Hämatologie entschieden
Klinikum Karlsruhe
- 100.000 Patienten werden jährlich stationär und teilstationär versorgt
- Mehr als 180.000 Menschen werden jährlich ambulant behandelt
- Das Krankenhaus verfügt über 50 Stationen und 30 Ambulanzen
- 15.000 Einzelbestimmungen fallen im Labor täglich an
- 35 Laborangestellte sind rund um die Uhr im Einsatz
Fotoquelle: Tim Peukert