„Das sollte zum Standard werden“
XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2022
Cornelia Guler leitet heute am Kantonspital Graubünden den Fachbereich Mikrobiologie. Als ihr Labor 2019 den automatischen Urin-Analyser UF-4000 installierte, entschied sich die damalige Diplomstudentin, ihre Abschlussarbeit über die Triagierung von Urinkulturen zu schreiben – und konnte dank des Analysesystems die Arbeitsweise im Spital deutlich effizienter gestalten
Text: Stephan Wilk
Wie kamen Sie darauf, den UF-4000 zum Thema Ihrer Diplomarbeit in Mikrobiologie zu machen?
Als unser Zentrallabor im Jahr 2019 erstmals den UF-4000 installierte, war ich gerade auf Themensuche für meine Diplomarbeit. Mir war es von Anfang an wichtig, ein Thema zu wählen, das ich auch praktisch umsetzen kann. Nicht ein rein theoretisches Thema zu erarbeiten, sondern ich wollte wirklich, dass das Labor und das Spital einen Nutzen davon haben. Mein Fachleiter und ich sowie Kollegen aus dem Labor, der Infektiologie und anderen Abteilungen fanden eine Funktion des Geräts sehr interessant: die UTI-Info, also ob ein Verdacht auf eine Harnwegsinfektion besteht. Das war für uns in einem Analysesystem damals neu und wir hatten dies bislang im Arbeitsprozess nicht genutzt. Üblicherweise werden Kulturen aus Urinproben angelegt und hier muss das Ergebnis abgewartet werden, ob eine Infektion vorliegt, was mindestens 48 Stunden dauert. Das System gibt die Auskunft über eine mögliche Harnwegsinfektion und diagnostische Informationen aber in weniger als einer Minute. Wir haben dann zunächst beides parallel gemacht, also alle Urinproben sowohl mit dem Gerät analysiert als auch Kulturen angelegt. Dadurch hatte ich eine sehr gute Datenlage und wollte eine Triagierung mithilfe des UF-4000 realisieren.
Und wie sind Sie dann weiter vorgegangen?
Um die Arbeitsweise im Labor effizienter gestalten zu können, war die Idee, dass wir Urinproben zuerst über den UF-4000 analysieren und Kulturen nur noch ansetzen, wenn laut der UTI-Info der Verdacht auf eine Harnwegsinfektion besteht. Das Gerät sollte also letztlich darüber entscheiden, ob wir im Labor Urin kultivieren oder nicht. Ein wichtiger Teil meiner Diplomarbeit war die Festlegung sogenannter Breakpoints: Wie viele Bakterien und/oder Leukozyten müssen bei der Messung im Gerät vorliegen, um eine positive oder negative Aussage zu erhalten. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass das Analysesystem Harnwegsinfekte bei über 16-Jährigen mit einer Sensitivität von 95 bis 97 Prozent anzeigt.
Wodurch ergab sich die Verbindung mit der Antibiotikatherapie?
Harnwegsinfekte gehören zu den häufigsten Infekten überhaupt, auch bei uns im Spital. Zur Behandlung werden sehr viele Antibiotika gegeben – und zwar oft auch nur bei einem Verdacht, wenn das Ergebnis der Urin-Kultur noch gar nicht vorliegt, was wie gesagt mindestens 48 Stunden dauert. Wenn aber die Ärzte die Information, dass kein Verdacht auf eine Harnwegsinfektion besteht, innerhalb weniger Stunden vorliegen haben, dann kann auf eine Antibiotikatherapie verzichtet werden. Das ist aus mehreren Gründen gut. Erstens ist die Gefahr der Resistenzentwicklung gegen bestehende Medikamente ein großes Problem und je weniger Antibiotika eingesetzt werden, desto besser. Hinzu kommen Kosteneinsparungen bei den Medikamenten und natürlich die Verringerung von möglichen Nebenwirkungen bei den Patienten.
Das klingt so, als ob die Triagierung von Urinkulturen große Vorteile für die medizinische Arbeitsweise insgesamt bringt. Gibt es noch weitere?
Ja, das schnelle Ausschließen eines Harnweginfekts kann an vielen Stellen zu einer Prozessoptimierung führen. Ärzte können sich beispielsweise auf andere Differenzialprognosen beschränken und dort genauer hinschauen. Auch für Labore bringt es große Vorteile. Die Kulturplatten, die wir nicht ansetzen müssen, sind Material, das eingespart wird. Und da wir seit der Triagierung die Anzahl von Urinkultur um 40,7 Prozent reduzieren konnten, ist diese Ersparnis erheblich. Auch fällt weniger Personalzeit an, die besonders beim Ablesen der Kulturen sehr intensiv ist. Das ist in der Mikrobiologie ein Prozess, der über mehrere Schritte geht und Tage dauern kann.
Wie wurde die Triagierung mit dem UF-4000 in Ihrem Labor angenommen?
Wir haben sie inzwischen bei uns in der Praxis umgesetzt. Es brauchte hier natürlich zunächst Schulung, Anweisung und eine Implementierung in unser Laborinformationssystem. Aber jetzt ist es bei uns so, dass die mikrobiologischen Mitarbeiter keine Urinkultur mehr anlegen, wenn die UTI-Info negativ ist. Im gesamten Spital ist das Feedback sehr positiv. Vor allem die schnellen negativen Resultate sparen Zeit und Ressourcen.
Könnten in Zukunft alle Labore so verfahren oder gibt es Gründe, die gegen eine allgemeine Implementierung dieses Verfahrens sprechen?
Ich finde, dass es aufgrund der vielen Vorteile Ziel sein sollte, die Triagierung von Urinkulturen bei Harnwegsinfektionen zum Standard zu machen. Grundsätzlich gilt das auch für Kinder, wobei wir hier noch nicht ausreichend Daten für die exakte Bestimmung der Breakpoints haben. Vor allem bei kleinen Kindern ist es gar nicht so einfach, eine gute Urinprobe zu erhalten, und sie können natürlich allgemein nicht so gut kommunizieren wie Erwachsene. Ein weiterer ungeklärter Faktor, der derzeit noch für die Labore besteht, ist die Frage der Vergütung in den öffentlichen Gesundheitssystemen. In der Schweiz beispielsweise stellt das Bundesamt für Gesundheit sogenannte Taxpunktwerte zur Verfügung. Diese müsste es dann in Zukunft auch für durchflusssymmetrische Triagierung beim Urinbefund geben. Das würde dann wahrscheinlich dazu führen, dass Labore solche Screenings vermehrt anwenden.
Summary
- Die durchflusssymmetrische Triagierung beim Urinbefund ermöglicht Laboren einen effizienteren Einsatz von Ressourcen und kann deutlich schnellere Ergebnisse liefern
- Durch Ausschluss von Harnwegsinfektionen können Urinanalysesysteme wie der UF-4000 oder UF-5000 unnötige Antibiotikatherapien verhindern
Fotoquelle: Stephan Wilk, Sysmex