Innovative Lymphknotenanalyse bei Prostatakrebs
XTRA-ARTIKEL AUSGABE 2/2022
Bei der histologischen Lymphknotendiagnostik wird oft nur ein kleiner Teil des Übels sichtbar.
Die OSNA-Analytik bietet eine vollständigere Perspektive und frühere Information und kann daher helfen, die Therapie zu personalisieren und die Lebensqualität zu verbessern
Text: Ann-Christin Luediger
Prostatakrebs (ProstataCa) ist mit etwa 70.000 Fällen pro Jahr die häufigste Krebserkrankung bei Männern in Deutschland. Jeder siebte Mann wird im Lauf seines Lebens betroffen sein und über 15.000 Männer versterben daran jährlich. Die genauen Ursachen hierfür sind noch nicht geklärt, aber Faktoren wie steigendes Alter, bestimmte Ernährungsweisen und eine familiäre Belastung erhöhen das Risiko nachweislich. Viele Fälle werden mittels PSA (Prostata-spezifisches Antigen)-Testung frühzeitig erkannt und es kann eine kurative Therapie erfolgen. Diese beinhaltet in der Regel eine Entfernung der gesamten Prostata sowie häufig auch die ausgedehnte Entfernung von mehr als zehn Lymphknoten (LN) im Beckenbereich (pelvine LN-Dissektion; PLND).
Die LN-Analytik ist für die Beurteilung wichtig, ob der Tumor bereits gestreut hat und wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Zudem hat der LN-Status eine prognostische Aussagekraft, denn Patienten ohne Metastasierung haben einen deutlichen Überlebensvorteil. Der LNStatus beeinflusst außerdem maßgeblich, ob eine postoperative Therapie angewendet wird und welche das ist.
Risiko falsch negativer Resultate
Die LN-Diagnostik hat demnach beim ProstataCa einen hohen Stellenwert, doch es besteht ein Risiko falsch negativer Resultate – mit weitreichenden Konsequenzen: Rund 20 Prozent aller Patienten mit postoperativ negativem LN-Status entwickeln ein Rezidiv. Ursache hierfür könnten okkulte Mikrometastasen sein, die bei etwa 16 Prozent aller Patienten vorliegen. Diese sind so klein (< 2 mm), dass sie von der normalen histopathologischen Begutachtung übersehen werden können.
Der Standard zur Aufarbeitung der LN ist die postoperative histologische Untersuchung mittels Hämatoxylin-Eosin (HE)-Färbung und gegebenenfalls zusätzlich eine immunhistochemische Analyse eines Teils der LN. In vielen Kliniken wird nur ein Längs- und Querschnitt untersucht. Da so nur ein geringer Anteil des gesamten LN betrachtet wird, wundert es nicht, dass der Umfang der Evaluierung einen beachtlichen Einfluss auf die Menge der gefundenen positiven LN hat. Einige Pathologien führen deshalb eine intensivere Aufarbeitung der LN mit zusätzlichen Schnitten durch. Dies ist jedoch mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden.
Es mangelt dementsprechend an einem einheitlichen Vorgehen für die LN-Aufarbeitung beim ProstataCa und einer sensitiven Analytik, die möglichst bereits intraoperativ Ergebnisse liefern kann.
OSNA ermöglicht schnelle und akkurate Analyse
Der molekulare One Step Nucleic Acid Amplification (OSNA)-Assay ermöglicht eine automatisierte, standardisierte sehr akkurate und schnelle Analyse von kompletten LN. Das Verfahren basiert auf einer speziellen Technologie zur Amplifikation von Nukleinsäuren aus LN-Lysat und Quantifizierung von Cytokeratin 19 (CK19), das normalerweise im LN nicht vorkommt. Die CK19-Expression korreliert mit der Größe der Metastasen und ermöglicht so eine Aussage analog der Histologie. Die Ergebnisse sind sehr schnell verfügbar – 15 Minuten für 1 LN oder etwa 30 Minuten für bis zu 14 LN.
OSNA ist zugelassen für die LN-Diagnostik bei Brustkrebs und gynäkologischen Tumoren, Darm- und Magenkrebs sowie ProstataCa und hat seinen klinischen Nutzen in den vergangenen Jahren bereits unter Beweis gestellt. Insbesondere bei Brustkrebs ist OSNA in vielen Kliniken als Routineverfahren etabliert und gilt in einigen südeuropäischen Ländern als Standard. Es existieren mehr als 200 Publikationen und über 250 Installationen, außerdem ist die Methode in diversen Leitlinien verankert.
Summary
- Die Diagnostik der Lymphknoten (LN) hat für die Wahl der weiteren Therapie einen sehr hohen Wert
- Das neue OSNA-Verfahren führt zu schnelleren und akkurateren Diagnosen und kann damit Operationen personalisieren und die Lebensqualität verbessern
OSNA kann die Lebensqualität verbessern
OSNA macht den Weg frei für eine personalisierte, weniger radikale Operation und kann somit eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität vieler Patienten begünstigen
Prof. Dr. med. Alexander Winter leitet das Uroonkologische Zentrum der Universitätsklinik für Urologie in Oldenburg. Er und das Team der Klinik behandeln jährlich über 3000 Patienten und sind überzeugt vom klinischen Nutzen von OSNA. Im Interview berichtet Prof. Winter von seinen Erfahrungen und wie OSNA neue Möglichkeiten eröffnet, das schonendere Sentinel-Lymphknoten (SLN)-Konzept beim ProstataCa weiter zu etablieren und zu optimieren
Was ist aus Ihrer Sicht der entscheidende Mehrwert von OSNA?
Bisher fehlte uns eine schnelle und gleichzeitig sensitive Methode zur LN-Diagnostik, die zudem sehr zuverlässige Ergebnisse liefert. OSNA vereint diese Kriterien und eröffnet uns ganz neue Therapieoptionen. Zwar wurde das SLN-Konzept von uns bereits beim ProstataCa etabliert, jedoch konnte die extendierte und damit komplikationsträchtigere konventionelle PLND mangels Möglichkeit des verlässlichen intraoperativen Schnellschnitts noch nicht vollständig verlassen werden und das SLN-Verfahren bei der Prostata noch keine breite Akzeptanz finden.
Können Sie kurz das SLN-Konzept und die Vorteile erläutern?
Die PLND ist mit möglichen und zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden, deren Häufigkeit mit der Anzahl entfernter LN korreliert. Dazu gehören unter anderem Lymphansammlungen im Becken (Lymphozelen), die das Risiko für Thrombosen erhöhen können, Lymphödeme und ein erhöhtes intraoperatives Risiko, Nerven und Gefäße zu verletzten. Beim SLN-Konzept werden mit drei bis acht LN deutlich weniger entfernt, nämlich lediglich die LN, die die ersten Filter im Abflussgebiet des Tumors darstellen. Sind diese frei von Metastasen, kann davon ausgegangen werden, dass der Krebs nicht gestreut hat und alle weiteren LN ebenfalls tumorfrei sind. Für Patienten mit negativen SLN könnte also auf die sonst extendierte PLND verzichtet und somit die Radikalität der Chirurgie erheblich reduziert werden, wodurch unnötige Morbidität vermieden wird und das ohne Einbußen an diagnostischer Sicherheit. OSNA macht damit also den Weg frei für eine personalisierte Operation und begünstigt eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität vieler Patienten.
Warum sollte das SLN-Konzept unbedingt mit OSNA realisiert werden?
Sollte der SLN befallen sein, sollte diese Information im günstigsten Fall schnell vorliegen, um so noch innerhalb derselben OP die LN-Dissektion ausweiten zu können. Die bisher zur Verfügung stehenden Verfahren zur intraoperativen Schnellschnittuntersuchung liefern jedoch unzuverlässige Ergebnisse, weil sie den LN nur partiell betrachten. OSNA hingegen analysiert vollständige SLN in nur wenigen Minuten.
Kann auch die Pathologie von diesem neuen Verfahren profitieren?
Sicherlich. Wir erfahren derzeit wie auch in anderen Bereichen einen starken Fachkräftemangel in der Pathologie. Eine intensive Untersuchung einer Vielzahl von LN bedeutet einen enormen Arbeits- und auch Kostenaufwand. OSNA hingegen erfordert nur wenige einfache Arbeitsschritte, mit denen man bis zu 14 LN gleichzeitig analysieren kann. Dies kann auch durch eine MTA geschehen. Neben der Entlastung kann der Pathologe zudem mit einer geringeren Fehlerrate und besseren Qualität der LN-Analytik bei den behandelnden Kollegen punkten.
Können Sie uns einen Ausblick geben, welche weiteren Ansätze denkbar sind?
Das Potenzial von OSNA ist noch nicht ausgeschöpft. Die Literatur liefert Hinweise, dass die Metastasengröße beim ProstataCa prognostisch bedeutsamer sein kann als die alleinige Anzahl der Metastasen. In diesem Kontext planen wir, mittels einer internationalen prospektiven Studie einen vielversprechenden Ansatz zu untersuchen: die Betrachtung der Gesamttumorlast (Total Tumour Load; TTL), definiert als die Menge der CK19-Kopien in allen SLN. Bei Brustkrebs konnte ein Zusammenhang zwischen dem TTL und dem Vorhandensein von Metastasen außerhalb der SLN sowie eine Korrelation mit einem höheren Rezidivrisiko nachgewiesen werden. Auch fürs ProstataCa könnte dies zutreffen. Das TTL-Konzept könnte demnach eine weitere enorme Verbesserung für Patienten bedeuten und das Management der adjuvanten Therapie optimieren.
Fotoquelle: Sysmex (2), Universität Oldenburg, Daniel Schmidt