Scientific Kalender Januar 2022
Schwere COVID-19-Erkrankung
Welche Faktoren lösen bekanntermaßen das Auftreten von NRBCs im peripheren Blut von Erwachsenen aus?
Eisenmangelanämie
Erhöhter Erythropoetin-Spiegel
Hohe Spiegel proinflammatorischer Zytokine (z. B. IL-6)
Arterielle Hypoxämie
Herzlichen Glückwunsch!
Das ist die richtige Antwort.
Das ist leider nicht komplett richtig.
Bitte versuchen sie es erneut.
Das ist leider nicht die richtige Antwort.
Bitte versuchen sie es erneut.
Hinweis
Bitte wählen sie mindestens eine Antwort aus.
Wissenschaftliche Hintergrundinformationen
Intensivpflichtige Patienten mit respiratorischen Infektionen können ein akutes respiratorisches Distresssyndrom (ARDS; auch als akutes Lungenversagen bezeichnet) entwickeln. Hierbei handelt es sich um eine schwere Komplikation und potenziell lebensbedrohliche Erkrankung. Folglich sind für Kliniker zuverlässige prognostische Werkzeuge zur frühzeitigen Vorhersage jeweiliger Entwicklungen von größtem Interesse [1].
Unreife, kernhaltige Vorstufen der Erythrozyten (nucleated red blood cells, NRBC; auch als Erythroblasten bezeichnet) sind im peripheren Blut gesunder Erwachsener nicht zu finden. Bei hämatopoetischem Stress setzt das Knochenmark unter anderem auch NRBCs frei, so dass dann auch diese erythroiden Zellen in unreifen Stadien im peripheren Blut nachgewiesen werden können. Das Auftreten von NRBCs im Blut intensivpflichtiger Patienten ist im Allgemeinen mit einer erhöhten Mortalität assoziiert [2]. Interessanterweise haben während einer intensivmedizinischen Behandlung NRBC-positive Patienten einen signifikant geringeren arteriellen Sauerstoffpartialdruck als NRBC-negative Patienten [3]. Man weiß, dass ein geringerer arterieller Sauerstoffpartialdruck ein Indikator für das zukünftige Auftreten von NRBCs ist. Darüber hinaus legen Beobachtungen bei intensivpflichtigen Patienten mit ARDS nahe, dass NRBCs gleichermaßen ein Prädiktor für die ARDS-Mortalität sind [4]. Des Weiteren könnten bei Patienten mit akuter Pankreatitis unreife Granulozyten (IG) die Identifizierung von Patienten mit einem hohen Risiko für die Entwicklung eines ARDS erleichtern [5]. Der IG-Wert gilt als ein potenzieller Indikator für die ARDS-Inzidenz und verfügt nachweislich über eine prädiktive Teststärke, die der anderer Biomarker entspricht (oder sogar höher ist).
Die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie belastet Krankenhäuser und insbesondere Intensivstationen, die in kurzer Zeit eine große Anzahl hospitalisierter COVID-19-Patienten versorgen müssen.
Der prognostische COVID-19-Score wurde entwickelt, um auf diesen Engpass aufmerksam zu machen und Krankenhäuser beim Management von COVID-19-Patienten zu unterstützten [1]. Der Score basiert auf 10 Variablen, die direkt oder indirekt von den Analysesystemen der XN-Serie erhalten werden können. Die Variablen werden anhand von Punkten gemäß dem gemessenen Wert gewichtet (siehe Tabelle 1).
In den ersten drei Tagen des Krankenhausaufenthalts erhaltene Score-Werte können die klinische Schwere der COVID-19-Erkrankung von Patienten über die kommenden zwei Wochen vorhersagen. Die Leistungsfähigkeit des Scores ist nachweislich einzelnen Parametern oder Verhältnissen von Parametern überlegen.
Tabelle 1 – Übersicht über die für den prognostischen COVID-19-Score verwendeten hämatologischen Variablen
Variablen | |
Primäre Variablen | Verhältnis von unreifen Granulozyten zu Lymphozyten: IG/L*100 Verhältnis von Neutrophilen zu Lymphozyten: N/L Prozentualer Anteil reaktiver Monozyten an den Monozyten: RE-MONO/M Prozentualer Anteil antikörperproduzierender Lymphozyten an den Lymphozyten: AS-LYMPH/L Differenz des Hämoglobin-Äquivalents zwischen Retikulozyten und reifen Erythrozyten: Delta-He Kernhaltige Vorstufen der Erythrozyten: NRBC |
Sekundäre Variablen | Hämoglobin: Hb Prozentualer Anteil hypochromer Zellen: Hypo-He Thrombozytenzahl: PLT Unreife Thrombozytenfraktion: IPF |
Numerische Ergebnisse
Ein 56-jähriger männlicher Patient wurde infolge schwerer Symptome in Verbindung mit seiner COVID-19-Erkrankung stationär aufgenommen. Über einen Zeitraum von 33 Tagen wurde die Entwicklung der auf einem Analysesystem der XN-Serie gemessenen hämatologischen Parameter beobachtet.
Ein großes Blutbild bei Aufnahme (Tag 0) zeigte fast normale Werte; lediglich Erythrozyten, Hämoglobin und Hämatokrit waren gegenüber dem Referenzbereich leicht erhöht. Das automatisierte Differentialblutbild für Leukozyten zeigte, abgesehen von den im oberen Teil des WDF-Scattergramms sichtbaren wenigen Lymphozyten mit erhöhten Fluoreszenzsignalen, eine normale Verteilung.
Bereits an Tag 2 wurde eine Leukozytose (14,65 x 10³/µl) mit Neutrophilie beobachtet. Allerdings zeigten die Neutrophilen keinerlei Anzeichen für eine Aktivierung (NEUT-RI 42,6 FI, NEUT-GI 153,6 SI innerhalb der Referenzbereiche [6]).
An Tag 4 erreichte die Leukozytenzahl 17,89 x 10³/µl. Das Analysesystem zeigt das Vorliegen von IG mit der Markierung „IG vorhanden“ (IG Present), da sich der prozentuale Anteil dieser Zellen auf 5,1 % erhöht hatte.
Im Verlauf der Zeit verschlimmerte sich die Leukozytose und erreichte an Tag 11 eine Konzentration von > 20,00 x 10³/µl und an Tag 17 eine Konzentration von > 30,00 x 10³/µl mit „IG vorhanden“. In diesen drei Wochen nahmen die Werte für Erythrozyten, Hämoglobin und Hämatokrit kontinuierlich ab, wohingegen die Thrombozyten im Referenzbereich blieben, auch wenn sich bereits ein abnehmender Trend zeigte. An Tag 24 wurde erstmalig ein signifikantes Vorliegen von NRBC (280 Zellen/µl; 0,7 %) sowie ein Anstieg bei der Aktivierung von Neutrophilen (NEUT-RI) beobachtet. Für 6 aufeinanderfolgende Tage wurde eine Anzahl von etwa 2 % NRBC dokumentiert, bis es zu einem bemerkenswerten Anstieg kam:
- Tag 31: 11 % NRBC
- Tag 32: 47,2% NRBC
- Tag 33: 116,5% NRBC
An Tag 26 fiel die Thrombozytenzahl erstmals unter 100 x 10³/µl; an Tag 33 wurde mit 31 x 10³/µl die geringste Zahl beobachtet. Eine von Lippi et al. durchgeführte Metaanalyse ergab, dass die Thrombozytenzahl möglicherweise ein einfacher, ökonomischer, schneller und häufig verfügbarer Laborparameter ist, der direkt die unterschiedliche Schwere der COVID-19-Erkrankung anzeigen könnte. Darüber hinaus wurde beobachtet, dass eine Thrombozytopenie auch mit einem dreifach erhöhten Risiko für eine schwere COVID-19-Erkrankung assoziiert ist [7].
Scattergramm-Interpretation
Die Analysesysteme der XN-Serie liefern nicht nur die absolute und prozentuale Zellzahl, sondern auch Werte für die Parameter zur Zellaktivierung. Dem ist so, weil im WDF-Kanal die Intensität der Seitwärtsfluoreszenz (Side Fluorescence Light – SFL) der Leukozyten gemessen wird, die eine erhöhte RNA-Aktivität im Zytoplasma von Leukozyten anzeigt. Die Analysesysteme von Sysmex liefern eine Reihe von Parametern, die eine Zellaktivierung anzeigen:
- Aktivierung der Neutrophilen: Intensität der Reaktivität der Neutrophilen (NEUT-RI) und die Intensität der Granularität der Neutrophilen (NEUT-GI)
- Aktivierung der Lymphozyten: reaktive Lymphozyten (RE-LYMP) und antikörperproduzierende Lymphozyten (AS-LYMP)
- Aktivierung der Monozyten: reaktive Monozyten (RE-MONO)*
Eine Neutrophilie lag ab Tag 2 vor. Allerdings wurde eine Aktivierung der Neutrophilen (NEUT-RI) nur an Tag 24 beobachtet. Bereits bei der stationären Aufnahme gab es im WDF-Scattergramm dieses Patienten stärker fluoreszierende Lymphozyten. Aus der Literatur ist bekannt, dass bei COVID-19-Patienten trotz einer Abnahme der Lymphozytenzahl ein Anstieg bestimmter Subpopulationen von Lymphozyten beobachtet werden kann. So berichten zum Beispiel Martens et al., dass die Werte für RE-LYMP, AS-LYMP und stark fluoreszierende Lymphozyten (HFLC) bei COVID-19-Patienten im Vergleich zu Kontrollen höher waren [8].
Zudem zeigt die Monozytenpopulation (grün) bei der stationären Aufnahme des Patienten ein stärkeres Fluoreszenzsignal, erkennbar am Aufwärtstrend der Population im WDF-Scattergramm (siehe zum Vergleich die vertikale blaue Linie). Es kann die Hypothese aufgestellt werden, dass dies den aktivierten Status der Monozyten widerspiegelt [8].
In einigen Fallberichten werden leukoerythroblastische Reaktionen beschrieben, definiert als unreife erythroide und unreife myeloische Zellen, die im peripheren Blut von Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion zirkulieren [9,10]. In der Blutprobe des vorgestellten Patienten fanden sich an Tag 24 nach der stationären Aufnahme NRBC im WNR-Scattergramm, gefolgt von einem drastischen Anstieg an den Tagen 31, 32 und 33 des Beobachtungszeitraums. Darüber hinaus waren auch unreife Granulozyten (Myelozyten und Promyelozyten) in großer Zahl vorhanden.
*Der Parameter RE-MONO ist ein Service-Parameter, der mit der XN IPI Software Version 22.16 hinzukam und an die/das Extended-IPU oder -LIS übermittelt werden kann.
Literatur
[1] Linssen J et al. (2020): A novel haemocytometric COVID-19 prognostic score developed and validated in an observational multicentre European hospital-based study. Elife. 9:e63195.
[2] Stachon A et al. (2006): Poor prognosis indicated by nucleated red blood cells in peripheral blood is not associated with organ failure of the liver or kidney. Clin Chem Lab Med. 44(8):955–961.
[3] Kuert S et al. (2011): Association of nucleated red blood cells in blood and arterial oxygen partial tension. Clin Chem Lab Med. 49(2):257–263.
[4] Menk M et al. (2018): Nucleated red blood cells as predictors of mortality in patients with acute respiratory distress syndrome (ARDS): an observational study. Ann Intensive Care. 8(1):42–53.
[5] Huang Y et al. (2019): Immature granulocytes: A novel biomarker of acute respiratory distress syndrome in patients with acute pancreatitis. J Crit Care. 50:303–308.
[6] Cornet E et al. (2015): Contribution of the new XN-1000 parameters NEUT-RI and NEUT- WY for managing patients with immature granulocytes. Int J Lab Hematol. 37(5):e123–126.
[7] Lippi G et al. (2020): Thrombocytopenia is associated with severe coronavirus disease 2019 (COVID-19) infections: A meta-analysis. Clin Chim Acta. 506:145–148.
[8] Martens R et al. (2021): Hemocytometric characteristics of COVID-19 patients with and without Cytokine Storm Syndrome on the Sysmex XN-10 hematology analyzer. Clin Chem Lab Med. 59(4):783–793.
[9] Mitra A et al. (2020): Leukoerythroblastic reaction in a patient with COVID‐19 infection.
Am J Hematol. 95(8):999–1000.
[10] Milanesio M et al. (2021): Leukoerythroblastic reaction associated with COVID-19 infection. Case report. Rev Fac Cien Med Univ Nac Cordoba. 78(1):64–67. Article in Spanish.