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Scientific Kalender Juli 2023

Hämolytisch-urämisches Syndrom, verursacht durch Shigatoxin-produzierende E. coli

Wo im RET-Kanal-Scattergramm findet man Fragmentozyten (Syn. Schistozyten)? 

im hellblauen Bereich unten im Scattergramm

im vergrößerten roten Bereich mit hohen Seitwärts-Fluoreszenzlicht-Signalen (SFL)

im ausgedehnten dunkelblauen RBC-Bereich in Richtung des geringen Vorwärtsstreulichts (FSC) 

Fragmentozyten kann man nur im RBC-Histogramm sehen

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Wissenschaftliche Hintergrundinformationen

Strategie 1: Besiedelung

Escherichia coli ist ein Pathogen des humanen Gastrointestinaltrakts, das bekanntermaßen Lebensmittelvergiftungen verursacht. Die ersten Ausbrüche dieser Art wurden im Jahr 1983 berichtet [1,2].

E. coli O157 ist der vorherrschende Serotyp. Er verursacht weltweit pro Jahr etwa 1 Million Fälle von Durchfall und 2.000 Fälle des hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS) [3]. Es handelt sich hierbei um ein enterohämorrhagisches E. coli (EHEC) [4] mit einer chromosomalen Pathogenitätsinsel, die für ein Typ-III-Sekretionssystem (T3SS) kodiert. Dieses besteht aus einem Adhäsin namens Intimin und dessen Rezeptor Tir (translocated intimin receptor) [5]. Für die Pathogenität von EHEC ist die Wechselwirkung dieser drei Faktoren von entscheidender Bedeutung.

Sobald die Bakterien in den Gastrointestinaltrakt gelangen, durchdringen sie die dicke Schleimschicht, die die Enterozyten schützt. Über das T3SS infiziert Tir die Zellen und wird anschließend auf der Oberfläche der Enterozyten exprimiert. Die Wechselwirkung zwischen Tir und dem Adhäsin Intimin ermöglicht es den Bakterien, sich an die Oberfläche der Schleimschicht anzuheften [5]. EHEC hat nun den Darmtrakt besiedelt.

Strategie 2: Angriff

Die Besiedelung des Darms ist nur 1 Teil der zweigleisigen Strategie, die E. coli O157 verfolgt. Dieser E. coli-Stamm produziert bekanntermaßen auch ein Zytotoxin namens Shigatoxin oder kurz Stx [1].

Auf der einen Seite erhöht Stx die Expression von Nucleolin, einem weiteren Oberflächenrezeptor von Intimin, und verstärkt so das Anheften der Bakterien an die Oberfläche der Schleimschicht.

Auf der anderen Seite wird, sobald die Bakterienzellen lysiert sind, Stx in das Darmvolumen freigesetzt. Dort bindet es an einen Gb3-Rezeptor auf mikrovaskulären Endothelzellen des Dünndarms. Der Stx-Gb3-Komplex wird in die Zelle und zum endoplasmatischen Retikulum transportiert.

Dort angekommen, hemmt der Komplex die Proteinsynthese, was zum Zelltod führt [6,7]. In subletalen Konzentrationen kann Stx zu einem Remodelling der zellulären Expression führen. Dies kann zu einer Aktivierung von Thrombozyten [8] sowie der Expression von Adhäsionsmolekülen [9] und inflammatorischen Chemokinen [10] führen. Der zytotoxische Effekt von Stx wird potenziert. Dies fördert das Anheften von Leukozyten an Endothelzellen, was zu Thrombosen und Gewebeschäden führt. Eine Thrombose in Kapillaren führt nachfolgend zu einer mechanischen Hämolyse [11]. Entsprechend stellen sich die Patienten mit Fragmentozyten und einer verringerten Thrombozytenzahl vor.

Fallstudie und Interpretation der Ergebnisse

Ein zweijähriger Patient wurde im Krankenhaus mit wässrigem Durchfall vorgestellt. Letzterer wurde später blutig. Zudem bekam das Kind Fieber.

Das Blutbild ergab einen HGB von 6,8 g/dl (4,22 mmol/l) (-> „Anaemia“-Flag) und eine PLT-F-Zahl von 27 x 109/l (-> „Thrombocytopenia“-Flag). An Tag 4 des stationären Aufenthalts hatten die Fragmentozyten im Blutausstrich einen Anteil von 4,0 %.

Im PLT-Histogramm wurden durch Fragmentozyten verursachte Interferenzen beobachtet (-> „PLT Abn Distribution“-Flag).

Die Retikulozyten-Population im RET-Scattergramm war erhöht (violetter und roter Bereich). Darüber hinaus gab es blaue Partikel, die sich aus dem Cluster mit reifen Erythrozyten in Richtung des Bereichs mit geringem FSC erstrecken. Das Vorliegen kleinförmiger Erythrozyten und Fragmentozyten in diesem Bereich des Scattergramms löste die „Fragments?“-Flag aus.

RET-Scattergramm mit einer RBC-Population (blau), die sich in Richtung des Bereichs mit geringem FSC erstreckt.

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Ergebnisse weiterer Untersuchungen ergaben zudem eine akute Nierenschädigung und erhöhte Laktatdehydrogenase(LD)-Werte sowie eine erhöhte Leukozytenzahl und erhöhte Werte für das C-reaktive Protein (CRP). Dies führte dazu, bei dem Kind ein HUS zu vermuten. Es wurden Antikörper gegen das Lipopolysaccharid von Escherichia coli O157 gefunden, was die Diagnose HUS infolge von Shigatoxin-produzierenden E. coli bestätigt.

Literatur

[1] Tarr PI et al. (1995): Escherichia coli 0157:H7: Clinical, Diagnostic, and Epidemiological Aspects of Human Infection. Clin Infect Dis. 20(1): 1-10.

[2] Riley LW et al. (1983): Hemorrhagic colitis associated with a rare Escherichia coli serotype. N Engl J Med. 308(12): 681-685.

[3] Majowicz SE et al. (2014): Global incidence of human Shiga toxin-producing Escherichia coli infections and deaths: A systematic review and knowledge synthesis. Foodborne Pathog. Dis. 11(6): 447–455

[4] Gambushe SM et al. (2022): Review of Escherichia coli O157:H7 Prevalence, Pathogenicity, Heavy Metal and Antimicrobial Resistance, African Perspective. Infect Drug Resist. 15: 4645–4673.

[5] Joseph A et al. (2020): Shiga Toxin-Associated Hemolytic Uremic Syndrome: A Narrative Review. Toxins. 12(2): 67.

[6] Johannes L et al. (2010): Shiga toxins—From cell biology to biomedical applications. Nat. Rev. Microbiol. 8(2): 105–116.

[7] Kavaliauskiene S et al. (2017): Protection against Shiga Toxins. Toxins. 9(2): 44.

[8] Karpman D et al. (2001): Platelet activation by Shiga toxin and circulatory factors as a pathogenetic mechanism in the hemolytic uremic syndrome. Blood. 97(10): 3100–3108.

[9] Morigi M et al. (1995): Verotoxin-1 promotes leukocyte adhesion to cultured endothelial cells under physiologic flow conditions. Blood. 86(12): 4553–4558.

[10] Zoja C et al. (2002): Shiga toxin-2 triggers endothelial leukocyte adhesion and transmigration via NF-kappaB dependent up-regulation of IL-8 and MCP-1. Kidney Int. 62(3): 846–856.

[11] Bommer M et al. (2018): The Differential Diagnosis and Treatment of Thrombotic Microangiopathies. Dtsch Arztebl Int. 115(19): 327–334.

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