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Scientific Kalender Juli 2024

Der von-Willebrand-Faktor - ein Frühindikator für akute Erkrankungen

Welche Veränderungen der vWF-Werte sind bei Patienten in der akuten Phase einer zugrunde liegenden chronischen Lebererkrankung zu beobachten?

Keine Veränderungen

Verminderte vWF-Ag-Konzentration und -Aktivität

Signifikant erhöhte vWF-Ag-Konzentration und -Aktivität

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Wissenschaftliche Hintergrundinformationen

von-Willebrand-Faktor und ADAMTS13

Der von-Willebrand-Faktor (vWF) ist ein Glykoprotein, das die Thrombozytenadhäsion vermittelt und den Faktor VIII vor frühzeitiger Proteolyse schützt. Der vWF wird von Endothelzellen und Megakaryozyten synthetisiert und ausgeschüttet. Er zirkuliert im Blut im Komplex mit dem Faktor VIII und verhindert so dessen Proteolyse. Der vWF bindet sowohl an die Proteine der subendothelialen Matrix als auch an den von-Willebrand-Rezeptor (Glykoprotein Ib/IX) auf der Oberfläche der Thrombozyten. So stellt er eine Verbindung zwischen Thrombozyten und verletzter Gefäßwand her, was die Aktivierung der Thrombozyten zur Folge hat. [1]

Der vWF zählt zur Gruppe der Akute-Phase-Proteine und liegt im Plasma in Form von Multimeren vor, deren Länge durch eine spezielle Protease reguliert wird: das ADAMTS13-Protein (A Disintegrin And Metalloproteinase with a ThromboSpondin type 1 motif, member 13). Durch Proteolyse spaltet ADAMTS13 den vWF im Plasma in mehrere kürzere Multimere mit begrenzter funktionaler Aktivität auf. [1] ADAMTS13 wird von hepatischen Sternzellen und Endothelzellen exprimiert und ausgeschüttet. [2, 3, 4] Schwere systemische Entzündungen gehen oft mit Störungen der Endothel- und Leberfunktion einher, was oft in einer verminderten ADAMTS13-Aktivität resultiert. [5, 6] Inflammatorische Prozesse sorgen zugleich für erhöhte Konzentrationen des Zytokins Interleukin 6 (IL-6) und der Serinprotease Thrombin, was zu einer verstärkten Proteolyse von ADAMTS13 im Blut führt [8, 9, 10]. Wie bei der thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura (TTP) zu sehen ist, entstehen bei einem ausgeprägten ADAMTS13-Defizit vermehrt große vWF-Multimere, was wiederum eine thrombotische Mikroangiopathie (TMA) auslöst. [11, 12, 13]

vWF und ADAMT13 bei Patienten mit Organversagen

Ein erhöhter vWF-Antigen-Spiegel (vWF:Ag) als Anzeichen endothelialer Dysfunktion beeinflusst signifikant den Krankheitsverlauf. [14] Auch starke körperliche Belastung kann unmittelbar danach zu einem vWF:Ag-Anstieg führen, bei gleichzeitigem Abfall der ADAMTS13-Werte. Diese Werte kehren jedoch in der Regel innerhalb weniger Stunden ohne klinisch bedeutsame Auswirkungen wieder auf ihr vorheriges Niveau zurück. Aufgrund der biologischen Funktion des vWF als Akute-Phase-Protein ist auch nach einer Operation die vWF:Ag-Konzentration erhöht. Studien belegen, dass diese Erhöhung bei unkomplizierten Fällen in der Regel moderat ausgeprägt ist, je nach Umfang der Operation, während bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Organversagen der postoperative Anstieg signifikant stärker ist und noch tagelang Bestand hat. [15]

Mit dem vWF:Ag-Spiegel ändert sich auch der ADAMTS13-Wert. Die ADAMTS13-Konzentration im Blut fällt bei Patienten mit Organversagen postoperativ rapide ab und erholt sich nur langsam im Zuge einer erfolgreichen Therapie. Bei Patienten mit einer unkomplizierten Operation und ohne Organversagen ist hingegen in der Regel, je nach Umfang des Eingriffs, ein moderater Abfall der ADAMTS13-Aktivität zu verzeichnen. [15]

vWF und ADAMT13 bei Patienten mit Sepsis

Patienten mit Sepsis oder septischem Schock zeigen stark erhöhte vWF:Ag- bei signifikant verminderten ADAMTS13-Werten. Bei Patienten mit günstigem Verlauf nimmt der vWF:Ag-Spiegel mit Einsetzen der Therapiewirkung wieder ab und die ADATMS13-Aktivität zu. Bei Patienten mit tödlichem Verlauf und ohne Ansprechen auf die Therapie sind diese Veränderungen nicht zu beobachten; die Werte bleiben signifikant erhöht bzw. vermindert.

vWF und ADAMT13 bei Patienten im akuten Stadium einer chronischen Erkrankung

Bei Patienten mit chronischen Organerkrankungen, z. B. einer chronischen Lebererkrankung, können Veränderungen der vWF- und ADAMTS13-Werte ein Indikator für ein akutes Stadium der Erkrankung sein. Die vWF:Ag-Konzentration und vWF-Aktivität sind bei Patienten mit akuter Organinsuffizienz auf dem Boden einer chronischen Lebererkrankung signifikant höher als bei Patienten mit kompensierter Leberzirrhose, während die ADAMTS13-Aktivität signifikant vermindert ist. [16]

Auswirkungen eines gestörten vWF-ADAMTS13-Verhältnisses

Infolge einer solchen Veränderung der vWF- und ADAMTS13-Werte kommt es vermehrt zur Bildung ultralanger vWF-Multimere (UL-vWF), die zur Entstehung sogenannter Mikrothromben führen. Diese wiederum begünstigen das Eintreten von Organversagen bei Patienten mit schweren inflammatorischen Prozessen, insbesondere im Rahmen einer Sepsis. [17, 18, 19] Bei Patienten mit Sepsis oder Organdysfunktion infolge vermehrter UL-vWF-Bildung und eines gestörten vWF-ADAMTS13-Verhältnisses kommt es oft zu einer Thrombozytopenie oder einem akuten Abfall der Thrombozytenzahl; dies ist mit einer ungünstigen Prognose assoziiert. [20, 21, 22] Bei Patienten, die auf ihre Therapie ansprechen, gehen die UL-vWF-Multimere wieder zurück, und die vWF:Ag- und ADAMTS13-Werte normalisieren sich, während bei Patienten, die nicht überleben, die UL-vWF-Konzentration hoch bleibt.

Zusammenfassung

In Ergänzung zu den gängigen prognostischen Instrumenten wie dem Sofa-Score, ISTH-DIC-Score oder MELD-Score könnte die Bestimmung von vWF:Ag, vWF und ADAMTS13-Aktivität einen weiteren vielversprechenden Prädiktor für den Verlauf bei Patienten mit potenziellem Organversagen, Sepsis oder einer chronischen Erkrankung im akuten Stadium sein. In einigen Fällen ist eine dramatisch erhöhte vWF-Konzentration in Verbindung mit signifikant verminderter ADAMTS13-Aktivität ein Indikator dafür, dass der Patient in eine akute Phase seiner Erkrankung eintritt, und ein Prädiktor für den weiteren Verlauf. Das erweitert den klinischen Nutzen dieser Parameter über die Diagnose eines von-Willebrand-Syndroms oder einer TTP hinaus.

Literatur

[1] Huck V et al. (2014): The various states of von Willebrand factor and their function in physiology and pathophysiology. J Thromb Haemost 2014; 111: 598–609.

[2] Turner N et al. (2006): Human endothelial cells synthesize and release ADAMTS-13. Thromb Haemost 2006; 4: 1396–1404.

[3] Uemura M et al. (2005): Localization of ADAMTS13 to the stellate cells of human liver. Blood 2005; 106: 922–924.

[4] Zhou W et al. (2005): ADAMTS13 is expressed in hepatic stellate cells. Lab Invest 2005; 85: 780–788.

[5] Kume Y et al. (2007): Hepatic stellate cell damage may lead to decreased plasma ADAMTS13 activity in rats. FEBS Lett 2007; 581: 1631–1634.

[6] Cao WJ et al. (2008): Inflammatory cytokines inhibit ADAMTS13 synthesis in hepatic stellate cells and endothelial cells. . J Thromb Haemost 2008; 6: 1233–1235.

[7] Schouten M et al. (2008): Inflammation, endothelium, and coagulation in sepsis. J Leukoc Biol 2008; 83: 536-545.

[8] Jarrar D et al. (1999): Organ dysfunction following hemorrhage and sepsis: mechanisms and therapeutic approaches (Review). Int J Mol Med 1999; 4: 575–583.

[9] Crawley JT et al. (2005): Proteolytic inactivation of ADAMTS13 by thrombin and plasmin. Blood 2005; 105: 1085–1093.

[10] Bernardo A et al. (2004): Effects of inflammatory cytokines on the release and cleavage of the endothelial cell-derived ultralarge von Willebrand factor multimers under flow. Blood 2004; 104: 100–106.

[11] Levy GG et al. (2001): Mutations in a member of the ADAMTS gene family cause thrombotic thrombocytopenic purpura. Nature 2001; 413: 488–494.

[12] Franchini M et al. (2007): Reduced von Willebrand factor-cleaving protease levels in secondary thrombotic microangiopathies and other diseases. Semin Thromb Hemost 2007; 33: 787–797.

[13] Kobayashi T et al. (2008): ADAMTS13 related markers and von Willebrand factor in plasma from patients with thrombotic microangiopathy (TMA). Thromb Res 2008; 121: 849-854.

[14] Wada H et al. (1998): Poor outcome in disseminated intravascular coagulation or thrombotic thrombocytopenic purpura patients with severe vascular endothelial cell injuries. Am J Hematol 1998; 58: 189–194.

[15] Claus RA et al. (2009): Variations in the ratio between von Willebrand factor and its cleaving protease during systemic inflammation and association with severity and prognosis of organ failure. J Thromb Haemost 2009; 101: 239–247.

[16] Prasanna KS et al. (2016): Plasma von Willebrand factor levels predict in-hospital survival in patients with acute-on-chronic liver failure. Indian J Gastroenterol 2016; 35: 432–440.

[17] Bockmeyer CL et al. (2008): Inflammation-associated ADAMTS13 deficiency promotes formation of ultra-large von Willebrand factor. Haematologica 2008; 93: 137–140.

[18] Zeerleder S et al. (2007): ADAMTS-13, von Willebrand factor and related parameters in severe sepsis and septic shock. J Thromb Haemost 2007; 5: 2284–2290.

[19] Martin K et al. (2007): Decreased ADAMTS-13 (A disintegrin-like and metalloprotease with thrombospondin type 1 repeats) is associated with a poor prognosis in sepsis-induced organ failure. Crit Care Med 2007; 35: 2375–2382.

[20] Arya M et al. (2002): Ultralarge multimers of von Willebrand factor form spontaneous high-strength bonds with the platelet glycoprotein Ib-IX complex: studies using optical tweezers. Blood 2002; 99: 3971–3977.

[21] Vanderschueren S et al. (2000): Thrombocytopenia and prognosis in intensive care. Crit Care Med 2000; 28: 1871–1876.

[22] Moake JL. (2002): Thrombotic microangiopathies. N Engl J Med 2002; 347: 589–600.

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