in allen Zellen identisch, gelingt es während der Embryonalentwicklung dennoch, spezifisches Ge- webe, beispielsweise Nerven-, Haut- oder Nieren- zellen auszubilden. Hierfür ist ein flexibles Epige- nom nötig – dafür, dass Gewebe anschließend sei- ne Identität bewahrt und Organe ihre Funktion behalten, braucht es dann wieder eine konstante DNA-Verpackung. WÄCHTER DES EPIGENOMS Wie Studien mit eineiigen Zwillingen belegen, kann Epigenetik die Lebensdauer stark beeinflussen: Raucht ein Zwilling beispielsweise, altert dieser sichtbar schneller – trotz identischem Genmaterial. Zwillingsforscher schätzen den genetischen Anteil an der Langlebigkeit heute auf nur noch zehn bis 25 Prozent, was überraschend wenig ist. Bedenkt man, dass es allein bei der natürlichen Verdopplung der DNA-Stränge Tag für Tag zu mehr als zwei Bil- lionen DNA-Brüchen kommt, können wir anderer- seits froh sein, dass die Gene nicht unser Schicksal sind. Klar ist: Ohne Reparaturmechanismen wären wir aufgeschmissen, wir würden nicht lange leben. Die gute Nachricht: Mittlerweile sind mehr als zwei Dutzend sogenannter Langlebigkeitsgene be- kannt, die DNA-Reparaturen ankurbeln, das Epige- nom stabilisieren und dadurch der Alterung entge- genwirken. Zu ihren Produkten gehören die Sirtui- ne – Enzyme aus der Gruppe der Histon-Deacetyla- sen –, Forschungsschwerpunkt von Sinclair: „Beim Menschen gibt es sieben unterschiedliche Formen von Sirtuinen, SIRT1 bis SIRT7. Die Hauptaufgabe HINTERGRUND Die 9 Ursachen des Alterns 1. DNA-Schäden 2. Abnutzung der Telomere 3. Veränderungen im Epigenom 4. Proteostase 5. Stoffwechselveränderungen 6. Fehlfunktionen der Mitochondrien 7. Anreicherung gealterter Zellen 8. Erschöpfung der Stammzellen 9. Entzündungsfördernde Moleküle 52 FORSCHUNG „Altern ist die häufigste Krank- heit der Welt und kann behandelt werden“ Prof. Dr. David Sinclair dieser epigenetischen Faktoren ist es, bei Belastung die Fortpflanzung von Zellen zu hemmen und statt- dessen DNA-Reparaturmaßnahmen in Gang zu set- zen. Sirtuine steuern unsere Gesundheit, unsere Fitness, sogar unser Überleben“, schwärmt er. WENN SIRTUINE ÜBERLASTET SIND Wer etwa an dem Werner-Syndrom erkrankt ist, al- tert bereits ab dem Alter von 30 Jahren im Zeitraffer und hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von nur 46 Jahren. Ursache ist eine Mutation in dem sogenannten Werner-Gen (WRN), das für ei- ne DNA-Helikase codiert – ein Enzym, das DNA- Stränge entheddert und Brüchen im Erbmaterial vorbeugt. Sinclair hat die Erkrankung an Hefe- zellen erforscht und herausgefunden, dass bei der Reparatur der DNA-Brüche, die aufgrund der Ab- wesenheit der Helikase entstehen, SIRT2 seinen Wirkort an der DNA verlässt und sich an der Repa- ratur beteiligt. Seine eigentliche Funktion, nämlich bestimm- te Gene stumm zu schalten, kann das Enzym dann nicht mehr erfüllen. „Wenn epigenetische Faktoren das Genom verlassen und sich um Schäden küm- mern, werden immer Gene, die eigentlich ausge- schaltet sein sollten, eingeschaltet, und umgekehrt. Die Folge ist Chaos. Zellen verlieren ihre Identität und funktionieren nicht mehr richtig. Chaos zeigt sich als Alterung“, erklärt Sinclair. WAS WIR TUN KÖNNEN „Essen Sie weniger“, rät der Altersforscher. Damit ist keinesfalls Mangelernährung und schon gar kein Hungern gemeint. Vielmehr kann regelmäßiges Fasten, indem beispielsweise auf das Frühstück verzichtet wird (sogenannte 16 : 8-Diät), das Sirtuin- Programm aktivieren. „Es signalisiert den Langle- bigkeitsgenen, dass sie die Zellabwehr stärken, die epigenetischen Veränderungen gering halten und die Alterung verlangsamen sollen“, sagt Sinclair. Studien belegen außerdem, dass die Ge- samtsterblichkeit zurückgeht, wenn vorwiegend Pflanzenproteine auf dem Speiseplan stehen. Denn Pflanzen können zwar alle Aminosäuren liefern, nie- mals jedoch alle gleichzeitig. Und genau das hält